Zwanghafte Sexualstörungen
Begrifflichkeiten: Was sind zwanghafte Sexualstörungen?
Zwanghafte Sexualstörung ist ein Begriff, der verwendet wird, um verschiedene Arten von sexuellen Verhaltensweisen zu beschreiben, die aufgrund ihrer Intensität, Häufigkeit oder Auswirkungen als problematisch oder störend empfunden werden. Diese Störungen können auch unter den Begriffen „Hypersexualität“ oder „Sexuelle Sucht“ bekannt sein.
Der medizinische Begriff „Hypersexualität“ betont das erhöhte sexuelle Verlangen. Das erhöhte sexuelle Verlangen bei Frauen nennen Mediziner „Nymphomanie“, bei Männern –„ Satyriasis“. Psychologen und Psychotherapeuten verwenden häufiger den Begriff „Sexuelle Sucht“. Der Begriff betont die Besessenheit und den Kontrollverlust. Es können auch die Alternativbegriffe verwendet werden: Erotomanie, unkontrolliertes Sexualverhalten, Liebessucht, Zwangszustand (mit oder ohne Paraphilie).
Eine zwanghafte Sexualstörung bezieht sich auf eine gesteigerte sexuelle Aktivität oder Lust, die häufiger und intensiver als normal empfunden wird und zu belastenden Folgen führen kann. Es kann zu einem unstillbaren Verlangen nach sexuellen Handlungen oder dem zwanghaften Gedanken an Sex führen und somit das persönliche Leben, die Gesundheit, die Beziehungen und die Arbeit beeinträchtigen.
Die häufigsten sexsüchtigen Verhaltensweisen sind:
- Übermäßige Impulse zum Masturbieren (mit oder ohne Pornografiekonsum),
- Konsum von Pornografie (meist begleitet von Selbstbefriedigung),
- Promiskuität (ständiges Suchen nach neuen sexuellen Beziehungen),
- Cybersex (virtuelle Sexbeziehungen, sexuelle Interaktionen über das Internet mit einer Webcam),
- Telefonsex unter kommerziellen Telefonnummern,
- Prostitution.
Sexuelle Übergriffe oder Stalking können auch eine Art vom unkontrollierten Sexualverhalten sein.
Welche Ursachen hat eine zwanghafte Sexualstörung?
Die Ursachen für zwanghafte Sexualstörungen sind oft komplex und können biologischer, psychologischer und sozialer Natur sein:
- Zu den neurobiologischen gehören organische Veränderungen im Gehirn: Hirnschädigung, Schlaganfall, verschiedene Demenzformen, Epilepsie, Morbus Huntington oder Tourette-Syndrom.
- Auch Medikamente (L-Dopa) und psychoaktive Substanzen (Methamphetamine) können ein (meist vorübergehendes) hypersexuelles Verhalten hervorrufen.
- Faktoren wie hormonelle Ungleichgewichte und genetische Veranlagung können auch eine Rolle spielen.
- Zu den psychiatrischen Erkrankungen, die von Hypersexualität begleitet sein können, zählen bipolare Störungen (manische oder hypomanische Episoden) oder Borderline-Störung.
- Auch Menschen mit den Persönlichkeitsmerkmalen wie geringes Selbstwertgefühl, Ängstlichkeit, Depressivität, Impulsivität und Stressanfälligkeit können für die Sexsucht anfällig werden. Wenn solche Menschen ihre Stimmung durch sexuelle Aktivität regulieren, geraten sie schnell in die Suchtfalle.
- Außerdem kann eine Erfahrung sexuellen Missbrauchs paradoxerweise zu sexueller Abhängigkeit führen.
Wann besteht eine Sexsucht bzw. eine Pornosucht?
Die wichtigsten Anzeichen einer zwanghaften Sexualstörung bzw. einer sexuellen Abhängigkeit sind:
1. Pathologisch gesteigertes sexuelles Verlangen und übermäßige sexuelle Aktivität. Der Zeitaufwand für sexuelles Suchtverhalten kann mehrere Stunden am Tag betragen. Das Problemverhalten und die ständige geistige Beschäftigung führen dazu, dass andere Aktivitäten und soziale Kontakte vernachlässigt werden.
2. Verlust der Kontrolle über das sexsüchtige Verhalten. Die Person gibt sich selbst das Versprechen, „aufzuhören“, erliegt jedoch erneut der Versuchung und verspürt nach sexueller Aktivität schlechte Laune. Dann macht sie sich wieder ein Versprechen, das sie nicht erfüllen kann usw. Ein unaufhaltsames Verlangen entsteht: Gedanken, ausgelöst durch verschiedene Signale, kreisen intensiv um kritisches Verhalten. Es wird immer schwieriger, dem Drang zu widerstehen, bis er die entsprechende Intensität erreicht und ein Rückfall eintritt. Wird der „Durst“ nicht gestillt, können sich Entzugserscheinungen als innere Unruhe und Reizbarkeit oder Konzentrationsschwierigkeiten äußern. Gleichzeitig führen Anpassungsprozesse im Gehirn zu einer Toleranzentwicklung: Für die Befriedigung wird eine Erhöhung der Häufigkeit und/oder Dauer des Verhaltens erforderlich. Im Falle der Pornografiesucht beispielsweise wird das Filmmaterial extremer.
3. Das Problem wird durch negative Folgen in verschiedenen Lebensbereichen bewusst. Die geistige Beschäftigung verbraucht enorme Ressourcen, was zu Konzentrationsschwierigkeiten und verminderter Leistungsfähigkeit im Beruf führt. Die Sexualität, wie sie sich in Suchtverhalten manifestiert, hat Auswirkungen auf die Partnerschaft. Die Betroffenen entwickeln individuelle Techniken zum eigenen maximalen Vergnügen. Z. B. die manuelle Stimulation wird darauf optimiert, den Orgasmus so lange wie möglich hinauszuzögern, oder er erfordert den Einsatz bestimmter Reize. Dies führt dazu, dass die Sexualität des Partners als unzureichend empfunden wird und das damit verbundene sexuelle Verlangen abnimmt. Infolgedessen haben Männer beim Partnersex oft Probleme mit Erektion und Ejakulation. In partnerschaftlichen Beziehungen hält man das Verhalten in der Regel so lange wie möglich geheim. Wird die sexuelle Sucht vom Partner entdeckt oder offengelegt, führt dies häufig zu Konflikten, die in einer Trennung enden können. Die Selbstbefriedigung auf der Grundlage persönlicher Vorlieben macht partnerschaftliche Beziehungen immer unattraktiver, da die Abstimmung der eigenen Bedürfnisse mit denen des Partners als schwieriger empfunden wird. Andere häufige negative Auswirkungen sind depressive Verstimmungen und sexuell übertragbare Infektionen.
Wie wird eine zwanghafte Sexualstörung behandelt?
Die Behandlung von zwanghaften Sexualstörungen kann eine Kombination von psychotherapeutischen Ansätzen, Verhaltensänderungen, Medikamenten und Selbsthilfegruppen umfassen. Die Wahl der Behandlung hängt von der Schwere der Störung, den Symptomen und den individuellen Bedürfnissen ab.
Wie bei anderen Arten von Abhängigkeiten kann die Bewältigung einer zwanghaften Sexsualstörung eine komplexe und langwierige Herausforderung sein.
In der Anfangsphase der Psychotherapie werden die Symptome untersucht, und ein individuelles Erklärungsmodell für die Entstehung und Aufrechterhaltung des Problems wird entwickelt. Dann geht es um die Suche nach Veränderungsmotiven, um das Entdecken von Ressourcen und die Entwicklung von Alternativlösungen. Zur Überwindung kritischer Situationen werden Methoden der Emotionsregulation eingesetzt. Außerdem werden Strategien zur Rückfallprävention entwickelt.
Bei Vorliegen partnerschaftlicher Beziehungen erzielt die Einbeziehung des Partners in die Therapie ein besonders positiver und nachhaltiger Effekt.