Sexuelle Funktionsstörungen bei Frauen

Sexualstörungen bei Frauen

Welche Arten von Sexualstörungen gibt es bei Frauen?

Die häufigsten sexuellen Funktionsstörungen der Frau sind:

  • Lustlosigkeit (Appetenzverlust),
  • Störungen der sexuellen Erregung,
  • Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie, Vaginismus),
  • Unfähigkeit zum Orgasmus (Anorgasmie).

All diese Störungen können primär, d. h. von Anfang an bestehen oder sekundär, d. h. durch bestimmte Ereignisse ausgelöst sein.

Man unterscheidet auch eine generalisierte (alle Formen sexueller Betätigung betreffend) oder eine situative (nur bestimmte sexuelle Aktivitäten oder Partner betreffend) Form. 

Eine Studie zu neuen diagnostischen Leitlinien hat innerhalb eines Jahres bei 45,7% der befragten Frauen eine oder mehrere sexuelle Probleme einschließlich geringer Beschwerden registriert. Zu einer stark beeinträchtigenden sexuellen Dysfunktion gemäß der ICD-11-Leitlinien kam es bei 17,5 % der sexuell aktiven Frauen.  Vermindertes sexuelles Verlangen (6,9 %) und Orgasmusstörungen (5,8 %) kamen bei Frauen etwa doppelt so häufig vor wie bei Männern. Frauen fühlten sich besonders bei sexuell bedingten Schmerzen beeinträchtigt.

Sexuelle Störungen bei Frauen können sich in verschiedener Weise kombinieren. Zum Beispiel, Störungen der sexuellen Erregung (Lubrikationsmangel) machen Geschlechtsverkehr schmerzhaft und somit rufen Dyspareunie hervor. Andere Frauen leiden an sexueller Lustlosigkeit und haben Schwierigkeiten, einen Orgasmus zu erreichen.

Auch innerhalb eines Paares kann zur Kombination verschiedener Funktionsstörungen kommen, wie Anorgasmie der Frau mit vorzeitigem Orgasmus des Mannes. Dadurch sind Sexualstörungen nicht nur als individuelles Problem der Symptomträgerin zu sehen – sie haben immer auch interindividuelle Bedeutung. Als Folge davon haben viele Paare immer weniger oder gar keinen Sex mehr. Beide leiden unter dieser Situation, was auf lange Sicht auch die Partnerschaft beeinträchtigen kann.

Störungen der sexuellen Appetenz (Lustlosigkeit)

Die Störungen der sexuellen Appetenz können unterschiedlich ausgeprägt sein:

  • Vom Mangel an sexuellem Interesse oder sexueller Unlust
  • über Sexualaversion (Abneigung gegen bestimmte oder alle sexuelle Aktivitäten)
  • zur Sexualphobie (eine Mischung aus Abscheu, Ekel, Ärger und Aggressivität und eine unter Umständen panikartige Angst vor allem Sexuellen. Die Phobie kann mit vegetativen Symptomen wie Übelkeit, Beklemmungsgefühlen, Zittern, Herzrhythmusstörung einhergehen. Der massive Angstzustand führt zu einer vollständigen Vermeidung sexueller Aktivität).

Es gibt viele Faktoren, die das sexuelle Verlangen beeinträchtigen können, einige davon sind:

  • Stress und Übermüdung, indem sie den Körper und den Geist erschöpfen
  • Beziehungsprobleme: Konflikte, fehlende emotionale Nähe und Unzufriedenheit im Sexualleben
  • Hormonschwankungen während der Schwangerschaft, der Stillzeit, der Menopause und des Alterungsprozesses
  • Gesundheitliche Probleme: Krankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen
  • Medikamente: Antidepressiva, Blutdruckmedikamente und Hormonpräparate 
  • Alkohol und Drogen, indem sie die Empfindlichkeit verringern

Veränderungen des sexuellen Verlangens im Laufe einer Beziehung haben erhebliche Auswirkungen auf die Paardynamik. Wenn eine von Anfang an bestehende Sexualvermeidung der Frau sich im Laufe der Beziehung nicht bessert, kann es passieren, dass der Mann immer fordernder drängt und die Frau sich noch mehr zurückzieht.

Störungen der sexuellen Erregung (Lubrikationsstörung)

Unter einer Erregungsstörung versteht man eine Störung der Lubrikation (Feuchtwerden). Lubrikation bezieht sich auf den natürlichen Vorgang, bei dem der weibliche Körper vor sexueller Aktivität Feuchtigkeit produziert, um den Vaginalbereich zu befeuchten und Schmerzen oder Reibung beim Geschlechtsverkehr zu vermeiden. Das Vaginalsekret tritt durch direkte oder erotische Stimulation und gilt als ein Indiz für sexuelle Erregung. Wenn eine Frau Probleme mit der Lubrikation hat, kann dies zu vaginaler Trockenheit und zu unangenehmen Symptomen wie Juckreiz, Brennen und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr führen. 

Vaginale Trockenheit kann auch aus einer Reihe von nichtsexuellen Gründen auftreten, darunter hormonell bedingte Veränderungen (z.B. während der Menopause), bestimmte Medikamente, Chemotherapie, Stress und Dehydration. Wenn eine Frau Symptome von der Lubrikationsstörung hat, soll sie mit ihrem Gynäkologen mögliche Ursachen ermitteln und Behandlungsoptionen besprechen. 

Allerdings ist bei Frauen die Mehrdurchblutung des Genitals, die das Feuchtwerden bedient, relativ autonom. Deswegen können sie den Geschlechtsverkehr auch aus nichtsexuellen Motiven ausführen, z. B. um Konflikte mit dem Partner* zu vermeiden. Aber Sexualität ohne Lust oder innere Bereitschaft und Offenheit kann eine sexuelle Aversion zur Folge haben. Oder als Abwehrreaktion kann sich Groll auf den Partner* entwickeln. Der Partner* weiß auch nicht genau, ob und wann er wirklich gemeint ist. All dies schadet die Sexualität jedes Partners* und die gemeinsame Sexualität des Paares.

Wann besteht eine Orgasmusstörung?

Die weibliche Orgasmusstörung kann primär (eine Frau ist noch nie zum Orgasmus gekommen) oder sekundär (Anorgasmie im Verlauf der sexuellen Entwicklung) auftreten.

Die Störung kann sich generalisiert (alle Formen sexueller Betätigung betreffend) oder situativ (nur bestimmte sexuelle Aktivitäten oder Partner betreffend) zeigen. 

Im Vergleich zum einförmig ablaufenden männlichen Orgasmus gibt es eine quantitative und qualitative Vielfalt des weiblichen Orgasmuserlebnisses. Nicht nur Berührungen und Reizungen können weiblichen Orgasmus auslösen, sondern auch Fantasievorstellungen darüber. Männlicher Orgasmus ist offensichtlich, über weibliches orgastisches Erleben bestehen oft unklare Erwartungen und Vorstellungen. Das Orgasmuserleben der Frau resultiert oft aus einem jahrelangen Lernprozess. 

Scham- oder Schuldgefühle, Ekel und starke Ängste sind mit ungehemmten Orgasmuserleben unvereinbar. Bei Missbrauchsopfern spielt vor allem Angst vor Kontroll- und Ich-Verlust eine negative Rolle. Selbstbeobachtung, Erwartungsangst, Fixierung auf den (nicht eintretenden) Orgasmus führt zur Aufrechterhaltung und Verstärkung der Störung.

Auch gesellschaftliche Normen, sowie das Selbstverständnis der Frau spielen eine einflussreiche Rolle. Sexuelle Kompetenz und Fähigkeiten sind für das Selbstwertgefühl der modernen Frau wichtig geworden. Im Gefolge sog. sexueller Revolution hat sich nicht nur der Potenzzwang des Mannes verstärkt, sondern hat auch ein früher nicht gekannter Orgasmuszwang die Frau erreicht. Leidensdruck und Behandlungswunsch entstehen oft aus dem Gefühl nicht wie eine „normale“ Frau zu reagieren.

Sexuelle Schmerzstörungen

Wenn Geschlechtsverkehr mitunter Schmerzen verursacht, spricht man von einer Dyspareunie. Die Beschwerden können dabei in der Scheide bzw. am Scheideneingang auftreten oder im Bauchraum. Die Schmerzen können organische oder psychische Ursachen auslösen. Zu den organisch bedingten Auslöser zählen:

  • gynäkologische Erkrankungen (Entzündungen, Trichomoniasis, bakterielle oder Pilzinfekte, Endometriose, Geschwüren etc.),
  • Hormonveränderungen,
  • Narben durch Operationen oder Geburtsverletzungen,
  • akute und chronische Harnwegsinfekte,
  • Allergien auf Pflegeprodukte.

Bei etwa einer Hälfte der betroffenen Frauen sind die Schmerzen beim Sex organisch verursacht. Deswegen ist vor der sexual- oder psychotherapeutischen Behandlung eine ärztliche Abklärung erforderlich. Infektionen, Tumorbildung oder Allergien müssen durch Mediziner ausgeschlossen werden. Erst dann kann bzw. darf ein Psycho- oder Sexualtherapeut feststellen, dass die Schmerzen organische Ursachen vortäuschen, um Lebens- und Beziehungsschmerzen auszudrücken.

Die Wurzeln können in der Lebensgeschichte, in der gegenwärtigen Lebenssituation, in der Reaktionsweise des Partners* etc. liegen. Die betroffene Frau kann zum Beispiel eine Kontakt- oder Bindungsangst gegenüber dem Sexualpartner* haben. Oder sie kann sich vor einem unangenehmen Erlebnis oder vor einer ungewollten Schwangerschaft furchten. Weitere mögliche Ursachen sind psychische Erkrankungen wie Depression oder eine generelle Angststörung. Die Folge ist, dass eine sexuelle Erregung nicht eintritt oder nicht aufrechterhalten werden kann, und die Scheide nicht genug befeuchtet wird (Lubrikationsstörung). Dadurch entstehen die Schmerzen beim Geschlechtsverkehr.

Lebens- und Beziehungsschmerzen können sich auch durch ein Verkrampfen der Vaginalmuskulatur (Vaginismus) äußern. Vaginismus ist eine reflexartig auftretende, selbst nicht schmerzhafte Verkrampfung im Bereich des äußeren Scheidendrittels, der Beckenbodenmuskulatur und unter Umständen der Oberschenkelmuskulatur. Somit wird die Scheide unzugänglich gemacht, und jeder Versuch einer Penetration (das Eindringen des Penis) verschlimmert die Situation. Es gibt verschiedene Ausprägungsstufen des Vaginismus: bei dem Penetrationsversuch, bei einer sexuellen Berührung oder bereits beim Gedanken an Geschlechtsverkehr. Auch der Versuch, einen Tampon einzuführen, oder eine medizinische Untersuchung kann den Scheidenkrampf auslösen.

Wenn Fehlbildungen der Geschlechtsorgane durch eine gynäkologische Untersuchung ausgeschlossen wurden, denkt man an eine psychogene Reaktion. Die Reaktion kann verschiedenste – rationale und irrationale – Gründe haben: anerzogene Tabus (Scham- & Schuldgefühle, Unwissenheit), fantasierte Gefahren (Verletzungen, Schmerzen) oder real erfahrene negativ besetzte Situationen. Die Betroffenen verlieren immer mehr die Lust am Sex und versuchen, sexuelle Begegnungen zu meiden. Es gibt verschiedene Ursachen, warum Frauen beim Sex Schmerzen haben. Wenn der Auslöser der Schmerzen richtig erkannt wurde, kann eine Behandlung zum Erfolg führen. Häufig sind die Schmerzen nicht auf eine einzige Ursache zurückzuführen, sondern mehrere Faktoren spielen bei der Entstehung eine Rolle.

Sexualtherapeutische Behandlung

In der Therapie werden emotionale Belastungen behoben, weil die dem Aufbau und der Entfaltung sexueller Erregung entgegenstehen. Das Ziel für die Behandlung der Gesamtproblematik: Beziehung zu sich selbst und ebenso zum Partner* zu verbessern. Begleitende Paargespräche können dazu dienen, die Gefühle und Konflikte mit beiden Partnern* ausführlicher zu bearbeiten. Das Konzept der systemischen Sexualtherapie stellt nicht auf die Symptombeseitigung ab, sondern will einen neuen Erfahrungshintergrund für beide Partner* vermitteln.

Viele Frauen können trotz mäßiger sexuellen Erregung und fehlendem Orgasmus hohe emotionale Befriedigung erreichen, wenn sie Intimität und Erotik in der sexuellen Begegnung erleben. Studien zeigen, dass ein erfülltes Sexualleben mehr ist, als bei jedem Geschlechtsverkehr zum Orgasmus zu gelangen. Obwohl nur ein Drittel der Frauen bei jedem Sexualkontakt einen Orgasmus erlangten, berichteten 40% von außerordentlicher körperlicher und seelischer Zufriedenheit mit ihrem Sexualleben. Die Anzahl überaus zufriedener Männer betrug auch 40%, obwohl drei Viertel der Männer immer Orgasmus erreichten.

Einen direkten Zugang zur facettenreichen weiblichen Erotik bieten sexuelle Fantasien. Systemische Sexualberatung / Sexualtherapie unterstützt dabei intime Bedürfnisse und Wünsche besser zu verstehen, Vorstellungskraft aufzuregen und einen einzigartigen erotischen Raum zu öffnen. Eine therapeutische Unterstützung hilft, die Sexualstörung zu überwinden und das sexuelle Verlangen wiederzugewinnen.

* – für unendliche Vielzahl an Selbstbezeichnungen

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