Paraphilien – Störungen der Sexualpräferenz

Paraphilien - Störungen der Sexualpräferenz

Diagnose: Was sind Störungen der Sexualpräferenz?

Bei den Störungen der Sexualpräferenz wird eine Person wiederholt und intensiv sexuell erregt oder befriedigt wird durch:
• Objekte, Aktivitäten oder Situationen, die ungewöhnlich oder nicht konform mit gesellschaftlichen Normen sind,
• Schmerz, Erniedrigung oder andere Formen von Leiden.

In der Neuklassifizierung der Weltgesundheitsorganisation werden Entpathologisierung und Entstigmatisierung der Sexualpräferenz angestrebt. Um Störungen der Sexualpräferenz zu erfassen, wurde eine neue Kategorie für „Paraphilien“ eingeführt. Als Folge der Entpathologisierung der Paraphilien wurde z.B. der fetischistische Transvestitismus als eigenständige Diagnose aus der neuen Klassifikation entfernt.

Viele Menschen, die unkonventionelle sexuelle Vorlieben haben, empfinden ihre Vorlieben nicht als störend. Paraphilien sind in vielen Fällen nicht schädlich, und viele Menschen mit Paraphilien sind in der Lage, gesunde und erfüllende Beziehungen aufzubauen.

Paraphilien sind relativ selten. Ein relativ häufiges Phänomen ist nur der Fetischismus – eine Paraphilie, die sich durch sexuelle Erregung oder Befriedigung durch bestimmte Objekte, Materialien oder Körperteile auszeichnet. Einige Untersuchungen zeigen, dass zwischen 25 und 50 Prozent der Männer und Frauen mindestens einmal in ihrem Leben sexuelle Erregung durch einen bestimmten Gegenstand oder Körperteil erlebt haben.

Es gibt verschiedene Formen des Fetischismus. Beim Objektfetischismus ist ein Objekt wie Schuhe, Unterwäsche oder Kleidungsstücke sexuell erregend. Beim Körperfetischismus ist ein bestimmter Körperteil wie Füße, Hände oder Haare sexuell erregend. Es gibt auch den Medienfetischismus, bei dem Medien wie Bilder oder Videos sexuell erregend sind, sowie den Prozessfetischismus, bei dem es um den Prozess geht, wie z.B. das Anziehen von Kleidung oder das Erleben von Demütigung.

Die Ursachen von Fetischismus sind nicht vollständig verstanden, aber es wird angenommen, dass er durch Konditionierung und Einprägung entstehen kann.

Fetischismus stellt nur dann ein Problem dar, wenn er die Lebensqualität oder die Beziehungsfähigkeit des Menschen beeinträchtigt. Zum Beispiel, eine Person mit Fetischismus kann das Objekt der Begierde benötigen, um eine sexuelle Erregung oder Befriedigung zu erreichen, und hat Schwierigkeiten, ohne es sexuell aktiv zu sein. In diesem Fall kann eine Therapie helfen, den Fetischismus zu verstehen und alternative Wege zu finden, um sexuelle Erregung und Befriedigung zu erreichen.

Störungen der Sexualpräferenz können bei manchen Menschen zu Konflikten in ihren Beziehungen oder sozialen Isolationen führen. Die ungewöhnlichen sexuellen Vorlieben können Schuldgefühle, Depressionen, Angstzustände und andere emotionale Problemen verursachen. Die Diagnose „Paraphilie“ wird jedoch nur gestellt, wenn diese sexuelle Präferenz die betroffene Person oder andere Personen wesentlich beeinträchtigt oder mit einem hohen Risiko für Schaden verbunden ist.

Welche Ursachen haben Störungen der Sexualfpräferenz?

Die Ursachen für Störungen der Sexualpräferenz sind nicht vollständig verstanden und können von Fall zu Fall unterschiedlich sein. Es gibt jedoch verschiedene Faktoren, die an der Entwicklung solcher Störungen beteiligt sein können, wie beispielsweise:

1. Biologische Faktoren wie hormonelle Veränderungen, Hirnveränderungen oder genetische Prädispositionen können bei einigen Menschen eine Rolle bei der Entstehung von Störungen der Sexualpräferenz spielen.
2. Psychologische Faktoren wie emotionale Vernachlässigung und traumatische Erfahrungen in der Kindheit. Emotionale Instabilität oder sexueller Missbrauch können zu einer Verzerrung der sexuellen Entwicklung führen. Besonders sexueller Missbrauch erhöht das Risiko für Störungen der Sexualpräferenz. Aber nicht jeder, der als Kind sexuell missbraucht wurde, entwickelt Paraphilien, und nicht alle Menschen mit Paraphilien haben sexuellen Missbrauch in der Kindheit erlebt.
3. Soziale Faktoren: Kulturelle Einflüsse, fehlende Sexualerziehung, unzureichende Unterstützung und Beziehungskonflikte können ebenfalls dazu beitragen, dass Menschen ungewöhnliche oder abnormale sexuelle Vorlieben entwickeln.

Sexualwissenschaftler gehen überwiegend davon aus, dass die Entwicklung der Sexualität mit dem Ende der Pubertät im Wesentlichen abgeschlossen ist. Paraphile Erlebnismuster nehmen mit Beginn der Pubertät ihren Anfang und dann werden zum unabänderlichen Teil der Sexualstruktur eines Menschen oder können diese sogar vollständig kennzeichnen.

Die Intensität der Neigung als auch deren Anteil an der gesamten Sexualstruktur kann außerordentlich variieren. Bei einem Menschen macht ein Fetisch den Sex besonders erregend und befriedigend. Bei einem anderen ist kein Sex ohne den Fetisch möglich, denn sonst treten sexuelle Dysfunktionen auf. Paraphile Symptome können im Selbskonzept integriert sein und somit als etwas zum „Ich“ gehöriges wahrgenommen werden. Oder sie können als etwas Negatives, fremdes, nicht zur Persönlichkeit gehöriges erlebt werden.

Auch mehrere Paraphilien können gleichzeitig vorliegen. Zum Beispiel kannt eine Person mit Fußfetischismus auch eine Vorliebe für Lederkleidung oder Dominanz-Unterwerfung-Spiele haben. Es gibt jedoch keine allgemeine Regel, welche Paraphilien sich kombinieren können oder wie sie miteinander verbunden sind.

"Kinky" und BDSM

Der Begriff „Kinky“ bezieht sich auf sexuelle Vorlieben oder Verhaltensweisen, die von der traditionellen Norm oder dem Mainstream („Vanilla“) abweichen. Der Begriff ist relativ vage und subjektiv und kann je nach Kontext und individueller Perspektive unterschiedlich interpretiert werden. In der Regel wird der Begriff „kinky“ jedoch positiv verwendet, um sexuelle Vielfalt und Offenheit zu fördern und zu feiern.

BDSM steht für Bondage, Dominanz / Submission, Sadismus / Masochismus und bezeichnet eine Vielzahl von sexuellen Praktiken, die auf Freiwilligkeit und gegenseitiger Zustimmung beruhen. Es gibt viele verschiedene Formen von BDSM, die je nach den individuellen Vorlieben und Grenzen der Beteiligten variieren können. Die Praktiken können von leichten Spielarten bis hin zu extremen Handlungen reichen, die Schmerzen und Demütigung einschließen können. BDSM ist nur dann sicher, wenn alle Beteiligten sich einvernehmlich darauf einigen und bestimmte Regeln und Grenzen festlegen. Unbedachte und unsichere Praktiken können zu Verletzungen und traumatischen Erfahrungen führen. Es ist daher ratsam, sich mit den Regeln von BDSM vertraut zu machen, um die Praktiken auf eine sichere und respektvolle Weise zu praktizieren.

BDSM-Praktiken können aufgrund ihrer intensiven und tabubrechenden Natur auch als eine Möglichkeit der Selbsterkundung und Selbsterfahrung betrachtet werden. Aber wer BDSM ausprobieren möchte, soll sich bei BDSM-Gesellschaften gründlich informieren lassen. Inspirationen aus „50 Shades of Gray“ für das heimische Schlafzimmer haben mit BDSM nicht viel gemeinsam. Bei BDSM geht es um Aktivitäten, die körperliche und psychische Risiken enthalten. Deswegen entwickeln Gesellschaften und Clubs spezielle Sicherheitskonzepte, um die Praktiken klar von strafbarer sexueller Gewalt abzugrenzen.

Die Ursachen für BDSM sind nicht eindeutig bekannt. Es wird angenommen, dass eine Kombination aus persönlicher Vorliebe, Erziehung, Sozialisierung, psychologischen Faktoren und sexuellen Erfahrungen eine Rolle spielen können. Sexualwissenschaftlich wird es diskutiert, ob BDSM eine Art von sexueller Orientierung ist, weil für BDSM-ler weder Geschlechtsmerkmale noch Geschlechtsverkehr sexuell erregend und befriedigend sind sondern andere Charakteristika wie Dominanz und Submission.

Wann ist eine Behandlung notwendig?

Paraphilien müssen nicht zwangsläufig ein Problem darstellen, solange sie auf eine legale und ethische Weise ausgelebt werden und keine körperlichen oder emotionalen Schäden für die beteiligten Personen verursachen. Paraphilien sind illegal, wenn sie gegen den Willen anderer ausgeübt werden. Folgende Paraphilien sind rechtswidrig:

Pädophilie: sexuelle Erregung durch präpubertäre Kinder oder Personen, die in einem bestimmten Entwicklungsstadium sind. Sexuelle Handlungen mit den nicht einwilligungsfähigen Personen werden strafrechtlich verfolgt.
Exhibitionismus: sexuelle Erregung durch das Zeigen der eigenen Genitalien in der Öffentlichkeit. Exhibitionismus wird strafrechtlich verfolgt, wenn das Entblößen der Genitalien vor nicht einwilligenden Opfern stattfindet.
Voyeurismus: sexuelle Erregung durch das heimliche Beobachten anderer Menschen beim Ausziehen, in intimen Momenten oder bei sexuellen Handlungen. Voyeurismus wird als Verletzung des Persönlichkeitsrechts und der Privatsphäre betrachtet. Das unerlaubte Beobachten und Aufzeichnen von Personen ohne deren Einwilligung gilt als Straftatbestand und kann zu einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder zu einer Geldstrafe führen. Wenn das Opfer minderjährig oder in seiner Fähigkeit zur Wahrnehmung eingeschränkt ist, kann die Strafe erhöht werden.
Zoophilie oder sexuelle Handlungen mit Tieren werden in Deutschland strafrechtlich verfolgt und sind gemäß § 17 des Tierschutzgesetzes verboten. Sexuelle Handlungen mit Tieren werden als Straftatbestand angesehen, unabhängig davon, ob das Tier verletzt wurde oder nicht. Der Strafrahmen für Zoophilie reicht von einer Geldstrafe bis hin zu einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Darüber hinaus kann die Person auch mit einem Tierhaltungsverbot belegt werden und es können andere strafrechtliche Maßnahmen ergriffen werden, wie beispielsweise eine Anordnung zur psychiatrischen Behandlung.

Wenn Paraphilien zu rechtlichen Problemen führen, benötigen Betroffene professionelle Hilfe, um andere nicht zu schädigen und eigenes Wohl zu gefährden. Solche Paraphilien können ein Indikator für tieferliegende emotionale und psychische Probleme sein. Eine Unterstützung durch einen Sexualmediziner ist notwendig: Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung trägt dazu bei, dass die Person rechtzeitig lernt, ihr Verhalten zu kontrollieren und ein erfülltes Leben zu führen. Es gibt mehrere Gründe, warum strafbare Paraphilien nur von Sexualmedizinern behandelt werden sollten:

  • Ein Sexualmediziner kann umfassende Untersuchungen durchführen. Dies hilft festzustellen, ob die Störung rein psychischer Natur ist oder ob zugrunde liegende körperliche Probleme behandelt werden müssen.
  • Sexualmediziner können Medikamente verschreiben, die den Betroffenen helfen, unkontrollierbare Impulse zu reduzieren. Dann können auch psychotherapeutische Maßnahmen effektiver umgesetzt werden.
  • Sexualmediziner gehören zu den sog. Katalogberufen nach § 203 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen) und sind an die Verschwiegenheitspflicht gebunden. Diese ärztliche Schweigepflicht kann nur durch eine gerichtliche Anordnung aufgehoben werden.
    Heilpraktiker müssen auch vertrauliche Informationen ihrer Klienten geheim halten. Allerdings gibt es Unterschiede in Bezug auf die Offenlegung von Informationen. Im Gegensatz zur ärztlichen Schweigepflicht haben Heilpraktiker kein Zeugnisverweigerungsrecht. Gegenüber Behörden müssen sie die Unterlagen des Klienten aushändigen und auch mündliche Auskunft geben. Das bedeutet, dass sie beispielsweise gegenüber der Polizei keine Aussage verweigern können, wenn es um vertrauliche Informationen geht. Wenn Heilpraktiker glauben, dass ihre Klienten eine Gefahr für sich selbst oder andere darstellen, müssen sie persönliche Informationen weitergeben. Wenn ein Heilpraktiker glaubt, dass sein Klient suizidgefährdet ist, muss er ihn an den sozial-psychiatrischen Dienst überweisen. Wenn ein Heilpraktiker den Verdacht hat, dass sein Klient eine sexuelle Straftat gegen ein Kind plant, ist er verpflichtet, die Polizei darüber zu informieren. In solchen Fällen besteht eine rechtliche Verpflichtung zur Weitergabe von Informationen, auch ohne eine gerichtliche Anordnung.

Sexualmediziner sind in verschiedenen medizinischen Einrichtungen und Praxen tätig. Viele Universitätskliniken und medizinische Fakultäten haben Abteilungen oder Zentren für Sexualmedizin. Zum Beispiel, UKE Hamburg oder Medizinische Hochschule Hannover. Die Hochschulambulanz für Sexualmedizin der Charité in Berlin können Betroffene per Überweisung oder auch direkt aufsuchen. 

Sexualmediziner  entwickeln spezielle Therapieansätze zum Beispiel für Menschen, die sich sexuell zu Kindern angezogen fühlen. Das Ziel: Sexuelle Übergriffe durch direkten körperlichen Kontakt oder indirekt durch den Konsum oder die Herstellung von Missbrauchsabbildungen im Internet (Kinderpornografie) zu verhindern. Das Präventionsprojekt „Du träumst von ihnen“ richtet sich speziell an Jugendliche. Das Präventionsnetzwerk „Kein Täter werden“ bietet ein Behandlungsangebot für Männer und Frauen, Erwachsene und Jugendliche. Das Präventionsnetzwerk bietet ein an elf Standorten deutschlandweit kostenloses und durch die Schweigepflicht geschütztes Behandlungsangebot. Die Anmeldung erfolgt per E-Mail oder telefonisch.

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