Sexualität im Alter

Sexualität und Sexualstörungen im Alter

Wie verändert sich Sexualität im Alter?

Sexualität kann sich im Laufe des Lebens aufgrund von körperlichen Veränderungen und Lebensumständen verändern. Eine eigenständige „Alterssexualität“ gibt es nicht, jeder wird mit seiner bisher gelebten Art von Sexualität alt, positiv wie negativ. Das sexuelle Leben bis ins höhere Alter aufrechtzuerhalten ist möglich, wenn man eine unterstützende Umgebung schafft und auf seine Bedürfnisse und Vorlieben achtet. Eine Sexualtherapie unterstützt dabei, das sexuelle Verlangen und die Fähigkeiten beizubehalten oder sogar zu verbessern. Ergebnisse einer Studie über Gesundheit, sexuelle Aktivität und sexuelle Zufriedenheit zeigten, dass das Alter mit der sexuellen Zufriedenheit nicht korrelierte. Denn die sexuelle Zufriedenheit ist mit der Beziehungssituation und dem Gesundheitszustand verbunden

Die ansteigende Lebenserwartung und die Enttabuisierung der Sexualität führen dazu, dass immer mehr ältere Menschen sich an Sexualtherapeuten wenden. Einige brauchen eine Zwischenbilanz über die bisherigen Beziehungen und die sexuelle (Un-)Zufriedenheit. Die Anderen sehen die verbleibende Zeit als Chance, das Versäumte nachzuholen.

Angesichts diverser Veränderungen durch den normalen Alterungsprozess ist die rechtzeitige Sexualberatung bzw. Sexualtherapie äußerst wichtig. Aus Unkenntnis des Normalen erfolgen Fehlinterpretationen, die über entsprechende Vorstellungen und Ängste tatsächlich zum Verlust der Sexualfunktion führen können. Die Einbeziehung des Partners oder der Partnerin ist nötig, damit sie sich nicht als schlechtere Liebhaber / Liebhaberin hält oder sich nicht mehr attraktiv fühlt. Im Laufe der Sexualtherapie kann das Paar herausfinden, wie die Partner ihr Verhalten entsprechend der neuen Gegebenheiten ändern oder anpassen. Wenn solche Medikamente wie Viagra nicht als eine zusätzliche Bereicherung verstanden werden, können sie der Beziehung sogar schaden.

Mit zunehmendem Alter verschieben sich die Schwerpunkte des sexuellen Erlebens in Richtung Zärtlichkeit, Nähe und nichtgenitaler Intimität. Sexuelle Wünsche und Phantasien können „jung bleiben“, auch wenn sie nur mehr gelegentlich, autoerotisch oder gar nicht mehr realisierbar sind.

Wie verändern sich Sexualfunktionen des älter werdenden Mannes?

Generell verlangsamt sich beim Mann die Reaktionsgeschwindigkeit, verlängert sich die Refraktärzeit und verringert sich die Intensität des Erlebens. Das Kurvenbild des sexuellen Reaktionszyklus kommt dem durchschnittlichen Verlauf bei der Frau näher, was von Vorteil sein kann.

Die hormonelle Umstellung (die Abnahme des freien Testosterons) erfolgt bei dem Mann sehr langsam. Die Spermatogenese, wenn auch vermindert, bleibt bis ins hohe Alter erhalten. Während Appetenz und Phantasie nicht altern, können Erektionen langsamer und nur nach stärkerer und direkter genitaler Stimulation zustande kommen und schneller wieder verloren gehen. Auch ihre Rigidität kann nachlassen. Anderseits wird die Ejakulation besser kontrollierbar, weil solche schwächeren Erektionen in der Plateauphase länger aufrechterhalten werden können. Die beiden Phasen der Ejakulation – Bereitstellung und Abgabe des Ejakulats – verlaufen weniger intensiv und sind nicht so deutlich unterscheidbar wie in jüngeren Jahren. Die Menge des Ejakulats nimmt ab und die Muskelkontraktionen werden schwächer. Die Erschlaffung des Gliedes in der Rückbildungsphase erfolgt rascher, die Refraktärzeit verlängert sich und kann Stunden bis Tage dauern. Die spontanen nächtlichen bzw. morgendlichen Erektionen werden mit zunehmendem Alter seltener und schwächer. Dabei können Schlafmangel und Schlafstörungen eine negative Rolle spielen, da Testosteron nachts produziert wird.

Der Nichtgebrauch der sexuellen Funktion kann zu ihrem Verschwinden führen. Das beste potenzerhaltende und stärkende Mittel für den Mann ist eine als sinnvoll empfundene, befriedigende, regelmäßige sexuelle Aktivität. Die sexuelle Aktivität als eine Quelle von Gesundheit und Lebensfreude ist von den physiologischen Voraussetzungen her bis ins hohe Alter möglich. Mangelnde sexuelle Befriedigung verursacht Verspannungen der Beckenbodenmuskulatur, die dann beispielsweise zu einer chronischen Prostatitis beitragen können.

Wie verändern sich Sexualfunktionen der älter werdenden Frau?

Generell sind die sexuellen Funktionen der älter werdenden Frau nicht so störanfällig als die des älteren Mannes. Aber ähnlich wie bei dem Mann verlangen die Verlangsamung und Intensitätsabschwächung der sexuellen Reaktion eine entsprechend stärkere Stimulation und ausreichende Dauer des Koitus. 

Bei der Frau stellt die hormonelle Umstellung in den Wechseljahren ein einschneidendes Ereignis dar. Die normalen menopausalen Prozesse führen in der Regel zu Gewichtszunahme und einer Änderung der Körperproportionen. Die Sexualfunktionen an sich (Lust und Fähigkeiten zum Geschlechtsverkehr und zum Orgasmus) bleiben weitgehend hormonunabhängig. Sie sind stärker von psychosozialen Faktoren beeinflusst: Wenn eine Frau sich nicht mehr attraktiv fühlt, hemmt das negative Körperbild ihr sexuelles Interesse und Sexualverhalten. Nur eine positive Selbsteinschätzung ermöglicht mehr Freiheit und Aktivität.

Altersphysiologisch bedingte Veränderungen haben zur Folge, dass die Scheide einen Teil ihrer Ausdehnungsfähigkeit, Wandstärke und Elastizität verliert und kann mit der Zeit in Länge und Breite etwas schrumpfen. Auch die Durchblutung der Vaginalwände wird schwächer und damit wird die Lubrikation schwächer und „zögerlicher“. Aus der verminderten Gleitfähigkeit resultiert ihre erhöhte Verletzlichkeit, was Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie) verursachen kann. Auch die Anzahl der Kontraktionen der orgastischen Manschette kann sich etwa um die Hälfte verringern.

Mit der Zeit verliert die Brust ihre Gewebselastizität, die Haut ihre Sensibilität. Die bei jüngeren Frauen typische Brustvergrößerung tritt nicht mehr auf, und die Erektion der Brustwarzen kann auch fehlen. Kuscheln, Küssen und das Streicheln der Brust können weniger lustvoll empfunden werden als vor der Menopause. Die Versuche, Sexualprobleme bei der Frau durch Hormongaben oder Durchblutungsförderung im Genitalbereich („Viagra für Frauen“) zu therapieren, haben keine überzeugenden Ergebnisse geliefert. Ein regelmäßiges Geschlechtsleben kann jedoch helfen, diese negativen Veränderungen zu verlangsamen. Umgekehrt kann dessen Fehlen die Veränderungen beschleunigen und verstärken.

Wie kann Sexualtherapie dem älter werdenden Paar helfen?

Es gibt keine einheitliche Formel für die Veränderung der Sexualität im Alter. Das Hauptziel der Sexualtherapie ist, dass jeder Mensch die Kontrolle über seine eigene Sexualität behält und sie auf eine für ihn zufriedenstellende Art auslebt. In der Psychotherapie werden die Selbstachtung, Selbstwertgefühl, Sinnfindung und Lebensfreude gestärkt, weil diese Fähigkeiten im Alter mit seinen Belastungen und Verlusten lebenswichtig sind. Negative, krankmachende Deutungen sollen durch positive und heilsame, gesunderhaltende oder gesundmachende ersetzt werden. Auf der Beziehungsebene werden die alltäglichen Konflikte angegangen und behoben. Eine starke, unterstützende Beziehung zu dem Partner macht glücklich und kann auch das sexuelle Verlangen und die Befriedigung erhöhen.

Die Rolle, die Sexualität im Leben eines Menschen spielt, kann sich im Laufe der Zeit verändern. Die unterschiedliche Bedeutung der Sexualität führen dazu, dass Menschen unterschiedlich auf die altersbedingten Einschränkungen reagieren. Die Unterschiede werden in der Therapie berücksichtigt: Eine Person kann in hohem Maß leiden, eine andere nimmt diese eher als schicksalsgegeben hin, wieder eine andere reagiert sogar erleichtert, weil sich nun ein Grund bietet, nicht mehr sexuell aktiv sein zu müssen. Letztere können sogar froh sein, dass auf diesem Gebiet „endlich Ruhe“ eintritt, weil sie mit Intimität Unangenehmes verbinden.

Viele ältere Menschen wollen ihre Sexualität als wichtigen zwischenmenschlichen Erlebnisbereich beibehalten und Intimität sogar vertiefen. Im Alter brechen „alte Wunden“ auf. In problembeladenen Partnerschaften folgt aus der Summe der Lebenskonflikte ein endloser Kleinkrieg. Streitrituale mit Erregungs- und Plateauphasen, Höhepunkt und Erschöpfung treten an der Stelle sexueller Begegnungen.

In der Behandlung erlebt das Paar, dass es möglich ist, über ein sexuelles Problem zu sprechen. Wenn sich die Partner mit ihren Schwierigkeiten angenommen fühlen, brauchen sie diese nicht schamhaft zu verbergen. Falls die Ursachen der sexuellen Probleme in Auswirkungen von Erkrankungen, Medikamenten oder Operationen liegen, nutzt man den Austausch, um darzulegen, wie wichtig eine nichtgenitale Gestaltung der gemeinsamen Sexualität ist.

Wie kann man das Sexualleben bis ins höhere Alter aufrechterhalten?

Um ein gesundes und erfülltes sexuelles Leben bis ins höhere Alter zu führen, kann es hilfreich sein, folgende Dinge zu beachten:

  • 1. Pflegen Sie Ihre Gesundheit: Eine gute körperliche und geistige Gesundheit kann dazu beitragen, das sexuelle Verlangen und die Fähigkeit, sexuelle Aktivitäten auszuführen, zu erhalten.
  • 2. Regelmäßige körperliche Aktivität kann Ihre körperliche und sexuelle Funktionsfähigkeit verbessern.
  • 3. Kommunizieren Sie mit Ihrem Partner: Eine offene Kommunikation kann helfen, Bedenken und Probleme bezüglich Ihrer sexuellen Beziehung zu besprechen und zu lösen.
  • 4. Versuchen Sie neue Dinge: Es ist normal, dass sich das sexuelle Verlangen und die Vorlieben im Laufe der Zeit verändern. Probieren Sie neue Aktivitäten aus, um das Interesse und die Befriedigung zu erhöhen.
  • 5. Sprechen Sie mit einem Arzt: Gesundheitliche Probleme, Medikamente oder Hormonstörungen können das sexuelle Verlangen und die Fähigkeit, sexuelle Aktivitäten auszuführen, beeinträchtigen.

Können Erkrankungen und Medikation sexuelle Aktivitäten beeinträchtigen?

Eine Vielzahl von Erkrankungen und Gesundheitszuständen können das sexuelle Leben beeinträchtigen, darunter:

  • 1. Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Herzerkrankungen, hoher Blutdruck und Arteriosklerose können zu erektiler Dysfunktion bei Männern führen.
  • 2. Diabetes mellitus: Diabetes kann erektile Dysfunktion bei Männern und vaginale Trockenheit bei Frauen verursachen. Sie kann auch das sexuelle Verlangen beeinträchtigen. Nervenschäden durch den hohen Blutzucker verringern die Fähigkeit, sexuelle Empfindungen zu spüren.
  • 3. Neurologische Erkrankungen: Multiple Sklerose, Parkinson und Querschnittslähmung können zu erektiler Dysfunktion, vaginaler Trockenheit und verminderter Empfindlichkeit führen.
  • 4. Hormonelle Schwankungen: Menopausale Symptome können eine Verringerung des sexuellen Verlangens und der Lubrikation verursachen.
  • 5. Psychische Erkrankungen: Depressionen und Angststörungen können das sexuelle Verlangen und die Fähigkeit, eine Erektion oder Lubrikation aufrechtzuerhalten, beeinträchtigen.
  • 6. Krebs: Krebsbehandlungen, einschließlich Chemotherapie und Strahlentherapie, können zu erektiler Dysfunktion, vaginaler Trockenheit und verminderter Empfindlichkeit führen.

Einige Arten von Medikamenten können sexuelle Funktionen beeinträchtigen. Hier sind einige Beispiele:

  • 1. Bluthochdruckmedikamente: Einige Medikamente zur Behandlung von Bluthochdruck können zu erektiler Dysfunktion führen.
  • 2. Antidepressiva: Selective Serotonin Reuptake Inhibitor (SSRI), können zu einer Verringerung des sexuellen Verlangens und der Fähigkeit, eine Erektion aufrechtzuerhalten, führen.
  • 3. Psychotrope Medikamente: Antipsychotika und Antiepileptika können ebenfalls die sexuellen Funktionen beeinträchtigen.
  • 4. Hormonelle Medikamente: Orale Kontrazeptiva und Hormonersatztherapie können das sexuelle Verlangen und die Lubrikation beeinträchtigen.

Menschen reagieren unterschiedlich auf Krankheiten und Medikation. Nicht alle Erkrankte, die die Medikamente einnehmen, werden Probleme mit ihren sexuellen Funktionen haben. Wenn die sexuelle Probleme doch auftreten, soll man unbedingt mit dem behandelnden Arzt darüber sprechen.

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