Transsexualität oder Geschlechtsinkongruenz

Geschlechtsinkongruenz oder Transsexualität

Transsexualität oder Geschlechtsinkongruenz

Was ist Transsexualität bzw. Geschlechtsinkongruenz?

Es gibt Menschen, die ein starkes, anhaltendes Gefühl haben, dass sie im falschen Körper geboren sind und ihr biologisches Geschlecht und ihr Selbstverständnis nicht übereinstimmen. Meist entsteht das Gefühl schon im Kindesalter. Die Entwicklung der Geschlechtsidentität ist zum vierten Lebensjahr abgeschlossen, und etwa ab dem Alter verhalten sich Kinder ihrem biologischen Geschlecht entsprechend. Es gibt aber auch Kinder, die sich mit Rollen, Aktivitäten und Kleidung, die typisch für das andere Geschlecht sind, beschäftigen und ein negatives Verhältnis zu ihren Genitalien haben. Die Kinder, die man fachsprachlich als „transident“ bezeichnet, zeigen unabhängig von der Beziehung einen starken, anhaltenden Wunsch oder das Beharren, zum anderen Geschlecht zu gehören. Etwa fünf Prozent der transidenten Kinder werden später transsexuell. Als Jugendliche wollen Transsexuelle die Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale verhindern. Ihr Alltag ist durch das Fremdheitsgefühl im eigenen Körper und die tiefe Verzweiflung beeinträchtigt.
 
Für die Diagnose „Transsexualität“ muss bei Jugendlichen und Erwachsenen zudem mindestens eines der folgenden Symptome vorliegen:
  • Ein starker Wunsch, ihre Geschlechtsmerkmale loszuwerden.
  • Ein starkes Verlangen nach den Geschlechtsmerkmalen, die ihrer Geschlechtsidentität entsprechen.
  • Ein starker Wunsch, dem anderen Geschlecht anzugehören.
  • Ein starker Wunsch, wie ein anderes Geschlecht zu leben oder so behandelt zu werden.
  • Ein starker Glaube, wie ein anderes Geschlecht zu fühlen und zu handeln.
Apropos Diagnose. Die noch gängige medizinische Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation weist Transsexualität als eine Form der Geschlechtsidentitätsstörung (Persönlichkeits- und Verhaltensstörung) aus. In der Neuklassifizierung werden Entpathologisierung und Entstigmatisierung der Transsexualität angestrebt. Der Begriff „Transsexualität“ wird durch „Transgender“ oder „Geschlechtsinkongruenz“ („geschlechtliche Nichtübereinstimmung“) abgelöst. Die Geschlechtsinkongruenz, auch Geschlechtsdysphorie genannt, wird als „Zustand im Bereich der sexuellen Gesundheit“ und nicht mehr als „psychische Störung“ eingestuft. 

Begrifflichkeiten

Der Begriff „Transgender“ ist breiter, als der Begriff „Transsexuell“. Neben Transsexuellen werden auch Transvestiten, Cross-Dresser (Menschen, die bewusst die Kleidung des anderen Geschlechts tragen) und Dragqueens (Männer, die in einer Frauenrolle auftreten) dieser Gruppe zugeschrieben. Die Grenzen zwischen den Gruppen sind fließend. Es gibt beispielweise Personen, bei denen eine Phase des Cross-Dressings, welches teilweise auch als sexuell erregend empfunden wird, zum Wunsch nach einer Transition führt.

Wenn die Transition nur den Prozess der Änderung der Geschlechtsrolle beschreibt (Mann zu Frau, Frau zu Mann bzw. Mann oder Frau zu einer alternativen Kategorie), spricht man von sozialer Transition. Medizinische Transition nennt man Behandlungen zur Veränderung der körperlichen Geschlechtsmerkmale.

Transsexualität kann unterschiedlich ausgeprägt werden. Einigen Menschen reicht die innere Gewissheit, eigentlich dem anderen Geschlecht zu gehören. Andere wollen die transsexuelle Identität auch von der Gesellschaft anerkannt wissen, finden aber eine hormonelle oder chirurgische Geschlechtsumwandlung nicht notwendig. Manche trans Personen wünschen sich eine Geschlechtsangleichung nur durch hormonelle Behandlung. Andere streben nach eine hormonelle Behandlung und eine chirurgische Geschlechtsangleichung.

Veränderung der medizinischen Klassifikation hat keine Auswirkungen auf den Anspruch auf medizinische Behandlung. Wenn aus dem Widerspruch zwischen der eigenen Geschlechtsidentität und den äußeren Körpermerkmalen ein starker Wunsch einer hormonellen und chirurgischen Angleichung an das bevorzugte Geschlecht entsteht, kann die Krankenkasse die Kosten für die Behandlungen übernehmen.

Die Ärzte müssen aber zuerst ausschließen, dass es bei dem Menschen keine körperlichen Ursachen wie intersexuelle, genetische oder geschlechtschromosomale Anomalie vorliegen. Ein urologischer bzw. ein gynäkologischer Befund muss bestätigen, dass die Person für eine Hormonbehandlung und die geschlechtsangleichende Operation physisch geeignet ist. Damit die Krankenkasse die Kosten der Hormontherapie, die Psychotherapie und die geschlechtsangleichende Operation übernimmt, muss man zwei unabhängige medizinische Gutachten vorlegen, die den Eingriff als „medizinisch notwendige Maßnahme“ einstufen. Diese Gutachten werden üblicherweise von einem Psychiater und einem Psychotherapeuten oder klinischen Psychologen durchgeführt. Der Psychiater muss andere psychische Erkrankungen ausschließen. Der Psychotherapeut stellt einen krankheitswertigen Leidensdruck heraus.

Warum ist die psychotherapeutische Begleitung der trans* Person wichtig?

Heutzutage gibt es öffentliche Beratungsstellen, die über die Vielfalt der Geschlechtsidentitäten sowie über die verschiedenen therapeutischen Möglichkeiten aufklären. Man soll ja wissen, dass die Hormonbehandlung ein Leben lang dauern soll. Und dass nach einer geschlechtsangleichenden Operation man keine Kinder mehr bekommen kann, weil die Operation eine unumkehrbare Unfruchtbarkeit bedeutet.

Wenn die trans* Person doch die geschlechtsangleichenden Maßnahmen anstrebt, soll sie sich auch bei ihrer Krankenkasse erkundigen, welche Voraussetzungen aktuell dafür benötigt werden und wie die Maßnahmen in ihrem Fall ablaufen werden.

Eine psychotherapeutische Begleitung der trans* Person kann eine wichtige Rolle spielen. Minderjährige sollen vor medizinischer Transition eine Psychotherapie durchlaufen, um sicherzugehen, dass es sich nicht um eine pubertäre Phase handelt.

Die Unstimmigkeit zwischen der Geschlechtsidentität und den Körpermerkmalen kann großes Leid verursachen. Es können Probleme wie Angststörungen, Depressionen oder sogar ein Selbstmordverhalten auftreten. Viele trans Personen suchen nach der psychotherapeutischen Unterstützung, weil sie in der von ihnen erlebten Geschlechtsidentität durch ihr soziales Umfeld nicht akzeptiert wurden. Der Wechsel der Geschlechtsrolle kann tiefe persönliche und soziale Folgen nach sich ziehen. Und die medizinischen Behandlungen können das allgemeine Wohlbefinden auch negativ beeinflussen.

Das psychotherapeutische Angebot zielt sich darauf ab, den Klienten in bestmöglicher innerpsychischer Stabilität durch die Umwandlung zu begleiten: Denken, Fühlen, Erleben und Verhalten in der Rolle des Identitätsgeschlechts. Mithilfe psychotherapeutischer Unterstützung können folgende Ziele erreicht werden: 

  • Förderung von Selbstakzeptanz, Selbstwertgefühl und Selbstsicherheit in Bezug auf die eigene Geschlechtsidentität.
  • Bewältigung von Scham- und Schuldgefühlen, sowie von internalisierter Transnegativität.
  • Unterstützung der Identitätsentwicklung.
  • Reflexion und Bearbeitung möglicher Erfahrungen und Konflikte in unterschiedlich empfundenen Geschlechtsrollen.
  • Selbstbehauptung der eigenen Identität gegenüber dem sozialen Umfeld.
  • Unterstützung des Coming-Out-Prozesses.
  • Bearbeitung der Auswirkungen der Reaktionen anderer auf das Coming-out.
  • Unterstützung bei familiären oder partnerschaftlichen Problemen
  • Unterstützung bei einer Entscheidung über körpermodifizierende Behandlungen
  • Unterstützung nach körpermodifizierenden Behandlungen
  • Unterstützung bei andauernder Geschlechtsdysphorie trotz möglicher körpermodifizierender Behandlungen.

Diese Ziele sollen in enger Rücksprache mit der trans* Person definiert und ausgewählt werden. Bei Bedarf können auch die Zweifel und Bedenken der Angehörigen in einem familientherapeutischen Vorgehen bearbeitet werden.

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